Ein Betrieb - eine Belegschaft. Missbrauch von Werkverträgen endlich angehen

21.11.2014

Pünktlich zum Arbeitgebertag Anfang November forderte Arbeitgeberpräsident Kramer von der Bundesregierung ein Ende ihrer "wirtschaftsfeindlichen Reformen". Gemeint hat er damit den schon beschlossenen Mindestlohn von 8,50 Euro, die Mini-Verbesserungen bei der Rente aber auch die von Arbeitsministerin Nahles angekündigten Reformen bei Leiharbeit und Werkverträgen. Anvisiert waren diese "Reförmchen" für das kommende Jahr – auf Druck von Kanzlerin Merkel wurden sie jetzt auf das Jahr 2016 verschoben. Und das ist eine Sauerei angesichts der Situation in vielen Betrieben, an denen die Bundespolitik nicht unschuldig ist.

Die andauernde Deregulierung am Arbeitsmarkt und die durchgehende arbeitnehmerfeindliche Politik haben viele Belegschaften gespalten und zersplittert. Da arbeiten Teilzeitkräfte neben Mini-Jobbern, räumen Praktikanten neben Dauerbefristeten Regale ein und die Werkvertragsbeschäftigten sitzen zusammen mit Leiharbeitnehmern an den Kassen. Übrig bleibt ein überschaubarer Anteil von Stammbelegschaften. Für die ist, soweit vorhanden, der Betriebsrat zuständig und es gilt ein Tarifvertrag. Der große Rest hat Pech und kaum eine Chance, seine Arbeitsbedingungen mithilfe der Mitbestimmung im Betrieb zu verbessern. Das ist die bittere Realität in immer mehr Branchen. Unter dem Deckmantel der "Flexibilisierung" sind nach der Leiharbeit vermehrt Werkverträge als Mittel zur Spaltung der Belegschaften auf dem Vormarsch. Diese werden von Arbeitgebern genutzt, um gezielt tarifliche und rechtliche Standards zu unterlaufen. Wie das geht? Ganz einfach!

Scheinwerkverträge erfreuen sich zunehmender Beliebtheit

Üblich sind Werkverträge aus dem Alltagsleben, wo Privatpersonen oder Firmen gelegentlich eine fremde Leistung in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Handwerkerarbeiten. In diesem Fall trägt der Werkvertragsnehmer auch die gesamten Sozialversicherungen. Soweit, so gut. Diese Vertragsform wird aber in den letzten Jahren immer öfter von großen Unternehmen missbraucht, um betriebseigene Dienstleistungen auszulagern und um sich somit nicht nur die Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, sondern zugleich sämtliche Tarifleistungen zu unterwandern. Bestes Beispiel sind die Warenverräumer im Einzelhandel, die am Tarifvertrag und Betriebsrat vorbei als fremde Dienstleister quasi in den Betrieb "reingesourct" werden. Der Gipfel des Missbrauchs bei Werkverträgen ist jedoch die Scheinselbständigkeit. Hier werden Werkverträge abgeschlossen, obwohl die Beschäftigten in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zum Chef stehen und dessen Anweisungen Folge leisten müssen. Das ist eigentlich ein klares Beschäftigungsverhältnis und unterliegt somit der Mitbestimmung des Betriebsrates einerseits sowie der Sozialversicherungspflicht durch den Arbeitgeber andererseits. Diese Scheinwerkverträge erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, wie zuletzt Pressemeldungen über scheinselbständige Besucherdienstführer im Deutschen Bundestag zeigten.

DIE LINKE hat sich als erste Fraktion im Bundestag dem Problem des Missbrauchs von Werkverträgen angenommen und fordert seit Jahren eine handfeste gesetzliche Regulierung. Um die Unterwanderung von tariflichen Standards zu beenden, fordern wir das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« ab dem ersten Einsatztag. Dazu muss bei der Vergabe von bisher selbst erledigten Aufgaben an eine Fremdfirma das Prinzip gelten, dass die betroffenen Beschäftigten das Gleiche erhalten wie die bereits im Betrieb Beschäftigten. Und nicht zuletzt braucht es wirksame Kontrollen und empfindliche Strafen bei der Ahndung von Scheinwerkverträgen. Betriebsräte benötigen zudem eine bessere Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeit bei der Vergabe von Werkverträgen.

Blödsinn aus dem Hause Nahles

Das Problem ist erkannt, der Handlungsbedarf ausgelotet – und nun? Statt sich dem Missbrauch von Werkverträgen in den Weg zu stellen, sägt die Bundesregierung lieber weiter an dem Ast, auf dem der Rest der Stammbelegschaft sitzt – dem Recht auf Streik zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen. Das angekündigte Gesetz zur Tarifeinheit hat im Hause Nahles oberste Priorität, weil die Einschränkung des Streikrechts angeblich zur Stärkung der Beschäftigten und zur Einheit der Belegschaft betragen würde. Was für ein Blödsinn. Die Stärkung der Beschäftigten und ihre Einheit können doch nur gelingen, wenn alle in einem Betrieb Beschäftigten auch zu diesen Betrieb gehören. Gerade deshalb hat sich die Bundesregierung jetzt um den Missbrauch von Werkverträgen zu kümmern.

linksfraktion.de, 21. November 2014

 

Veröffentlichung der Bundestagsfraktion DIE LINKE. im Wortlaut